Bad Endbach – Gesunde Energie für Mensch und Natur
Kneipp- Heilbad, Lahn-Dill-Bergland- Therme, Gesundheitstage, Migräne- Kompaktkur, Rheumatologie, Wandermarathon… das sind Begriffe, die einem zu Bad Endbach, dem einzigen Kurort im Landkreis Marburg- Biedenkopf einfallen.
Gesundheit eben – passt ja auch zum Prädikat „Bad“. Aber Gesundheit ist kein Begriff, der sich auf die Menschen dort, die Urlaub oder Kur machen oder eben da leben, beschränkt.
Für einen Kurort gehört zum Thema Gesundheit auch immer das Umfeld, in dem sich die Menschen aufhalten. Da ist es naheliegend, dass man sich in Bad Endbach schon seit über dreißig Jahren mit Energieerzeugung befasst. In den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts wurde das allererste Blockheizkraftwerk in Betrieb genommen. Zahlreiche Nachfolger sind seither in Bad Endbach im Einsatz und sorgen für eine bessere Nutzung von Gas und Öl in den kommunalen Gebäuden. Anfang 2004 wurde die erste gemeindliche Photovoltaikanlage in Betrieb genommen.
Richtig in Fahrt kam das Thema Energie dann ab 2006: Einstimmig beschloss die Gemeindevertretung, den neuen Kindergarten nicht mehr konventionell sondern mittels einer tiefengeothermischen Versorgung zu beheizen. Die erste Energiemesse im Hinterland wurde durchgeführt und das Thema fand bei den Bürgern aber auch den Lokalpolitikern große Beachtung: Bad Endbach fasste als erste Gemeinde im Landkreis den Beschluss „20 + 20 in 2020“. Damit verpflichtete sie sich, bis zum Jahr 2020 mindestens 20 Prozent an Energie einzusparen und mindestens 20% der verbrauchten Energie aus erneuerbaren Energien zu erzeugen oder beziehen.
In der Folge wurden weitere Energieprojekte auf den Weg gebracht: Zwei Bürger- Solarkraftwerke entstanden, weitere Dachflächen wurden zur Nutzung der Sonnenenergie verpachtet, die neue Lahn-Dill-Bergland- Therme wurde mit einer Mischung aus Holzhackschnitzelfeueranlage und BHK’S ausgestattet, etliche Blockheizkraftwerke wurden gebaut und die kommunalen Gebäude überall da, wo es wirtschaftlich sinnvoll ist, neu gedämmt. 2010 wurde Bad Endbach in die „Umweltallianz Hessen“ aufgenommen.
Doch all diese positiven Veränderungen sind nicht ausreichend, um nachhaltig genug zu bewirken. Und reichen 20% als Zielsetzung aus? Auf längere Sicht betrachtet natürlich nicht. Nach meiner Auffassung muss das Ziel 100% heißen!
Welche Möglichkeiten hat aber eine mittelhessische Kommune, an diese Thematik heranzugehen? Es wurden Gespräche geführt, Planungen bzw. Untersuchungen betrieben, die eine mögliche Errichtung von Photovoltaik- und Windenergieanlagen, die Nutzung von Holzhackschnitzeln und Energiepflanzen zum Ziel hatten. Energiepflanzen zum Beispiel erscheinen als Lösungsansatz im größeren Umfang aufgrund der topografischen Gegebenheiten in Bad Endbach und der kleinen Parzellierung von landwirtschaftlich nutzbaren Flächen nicht prädestiniert. Die energetische Nutzung von Holz ist denkbar und wird in der Therme auch praktiziert, allerdings wird auch hier die Menge nicht ausreichen, um das Energieproblem grundsätzlich zu lösen.
Die Errichtung von Photovoltaik- und Windenergieanlagen wiederum stellt einen erheblichen Eingriff in das Landschaftsbild dar und verbraucht land- bzw. forstwirtschaftlich nutzbare Fläche. Unterm Strich wurde deutlich, dass keine Form der Energieerzeugung ohne Nachteile realisierbar ist.
Die Nutzung der Windenergie hat aus Sicht der Gemeinde allerdings zwei immense Vorteile. Erstens ist die „Ausbeute“ bezogen auf den Flächenverbrauch sehr hoch (deutlich höher als bei Nutzung von Energiepflanzen oder Photovoltaik) und zweitens sind Kosten und Erträge über die Nutzungsdauer einer Windenergieanlage relativ sicher zu berechnen. Allerdings ist der optische Eingriff in die Natur nicht unerheblich, denn eine moderne Anlage mit einer Nabenhöhe von etwa 135m ist weithin sichtbar und der Anblick nicht jedermanns Sache aber eben von jedermann zu ertragen.
Der Ertrag einer einzigen solchen Anlage allerdings reicht vorsichtig gerechnet aus, um etwa 1.200 Haushalte mit Strom zu versorgen. Damit erscheint es möglich, den gesamten Energieverbrauch der Gemeinde Bad Endbach allein mit Windenergie zu erzeugen. Aber auch die Menschen in Bad Endbach bzw. der Region profitieren: Zunächst einmal generiert die Gemeinde zusätzliche Einnahmen, die nicht über Steuern, also unmittelbare finanzielle Belastungen der Bürger erzielt werden, aber über den kommunalen Haushalt allen Bürgern zugutekommen. Angesichts der klammen Haushaltslage deutscher Städte und Gemeinden an und für sich eine Pflichtaufgabe. Diese Einnahmen dienen der Sicherung der gemeindlichen Aufgaben. Damit kommen sie auch zahlreichen Gewerbetreibenden zugute, denn diese wiederum sind häufig Auftragnehmer der Gemeinde. Die Sanierung von Straßen, die Errichtung/ Unterhaltung von Gebäuden und immer häufiger auch der Betrieb kommunaler Einrichtungen werden in der Regel von regional ansässigen Firmen durchgeführt.
Wenn es darüber hinaus gelingt, gemeinsam mit den Nachbarkommunen eine regionale Stromversorgung zu sichern, kommt ein weiterer Vorteil hinzu: Ein Produkt aus der Region für die Region. Und das wiederum sorgt für Stabilität beim Thema Arbeitsplätze und Wertschöpfung.
Aus Sicht der Bürger hat das ein Bottenhorner Einwohner treffend auf den Punkt gebracht: „Ich nehme gerne in Kauf, jeden Tag beim Blick aus dem Fenster auf ein Windrad zu sehen, wenn ich weiß, dass der Ertrag hier in der Gemeinde bleibt.“ So scheint es nicht verwunderlich, dass die Einwohner Bad Endbachs gelassen bleiben beim Thema Windpark.
Sie wissen, dass Bürgermeister und Gremien gemeinsam das Ziel verfolgen, die genannte regionale Versorgung aufzubauen. Mit der auf den Weg gebrachten Errichtung von fünf Windenergieanlagen an der Grenze zwischen Bottenhorn und Holzhausen ist ein erster Schritt auf dem Weg zur energieautarken Kommune gemacht. Aber es ist auch deutlich, dass es eben nur ein Schritt ist. Denn um den gesamten Bedarf an Energie zu erzeugen, sind bis zu 20 Anlagen notwendig. Derzeit werden deshalb weitere mögliche Windkraftstandorte nicht nur in der Gemeinde Bad Endbach untersucht. Die ganze Region ist in Bewegung. Politischer Widerstand gegen Windräder, das ist nicht zuletzt eine Folge des Reaktorunglücks in Fukushima, schmilzt in den Fraktionen. Und der Wunsch, die Planungen miteinander und aufeinander abzustimmen, um gemeinsam Lösungen für eines der drängendsten Probleme unserer Zeit zu finden, wächst.
In einem Punkt muss sich Bad Endbach übrigens keine Gedanken machen. Das in Hessen gültige Verbot für eine wirtschaftliche Betätigung von Kommunen gilt hier nicht. Denn mit den genannten Anfängen war man bereits vor dem Stichtag 1. April 2004 Stromerzeuger.
Eine gesunde Politik - und die passt ja auch zum Prädikat „Bad“.
Empfehlen Sie uns!